Lesereise Donau by Duygu Özkan Jutta Sommerbauer

Lesereise Donau by Duygu Özkan Jutta Sommerbauer

Autor:Duygu Özkan, Jutta Sommerbauer
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Picus Verlag Ges.m.b.H., Wien


Ada Kaleh – die untergegangene »Insel des Islam«

Bis 1971 lag in der Donauenge des Eisernen Tores ein Überbleibsel des Osmanischen Reiches

Ali Tunaligil treibt der Schmerz eines Heimatlosen um. Die Sehnsucht nach einem Ort, der von der Erdoberfläche verschwunden ist. Sprichwörtlich verschwunden. »Wenn es noch einmal so eine Insel geben würde, würde ich alles liegen und stehen lassen und dorthin gehen«, sagt Tunaligil. Der ältere Herr lebt heute in Istanbul. Geboren ist er auf Ada Kaleh, einer Insel in der Donau zwischen dem heutigen Rumänien und Serbien. Sie ist untergegangen in den Fluten, die die sozialistische Modernisierung heranspülte: in den Wassermassen eines Staudamms.

Es ist mehr als vierzig Jahre her, als Stein um Stein von Tunaligils Heimat im Donaustrom verschwand. Nicht nur die Heimat von etwa fünfhundert Menschen ging im Jahr 1971 unter, sondern auch ein einzigartiger, aus der Geschichte gefallener Ort, ein außergewöhnliches Produkt der Konfrontation zwischen den historischen Mächten im Donauraum, dem Osmanischen Reich und Österreich-Ungarn.

Am Eisernen Tor durchbricht die Donau den Karpatenbogen. Im jahrmillionenalten Kampf zwischen Wasser und Stein war der Fluss der historische Sieger. Es war ein hart errungener Sieg: Der Strom windet sich in zehn Schlangenlinien zwischen Felswänden, einst umfloss er die steinernen Hindernisse in einem manchmal nur hundertzwanzig Meter breiten Bett. Zusätzlich erschwerten Engstellen, Wirbelwasser und unterirdische Felsriffe den Kapitänen die Passage. Bei der heutigen Stadt Orschowa in Rumänien mussten die Steuermänner einem weiteren Hindernis ausweichen. Hier lag sie, Tunaligils Heimat, die Insel Ada Kaleh.

Obwohl sie nur knapp zwei Kilometer lang und einen halben Kilometer breit war, ist die Insel ein steter Zankapfel zwischen den Großmächten gewesen. So notierte der Reporter Egon Erwin Kisch über seine Reise nach Ada Kaleh: »Kaum zwei Quadratkilometer – das ist ein zu kleines Gebiet für die große Geographie. Nicht aber für Politik und Krieg.« Politik und Krieg – nicht der Bevölkerung oder der Bodenschätze wegen, sondern weil die Insel von strategischer Bedeutung war, gelegen am Kreuzungspunkt von Orient und Okzident. Und entsprechend oft wechselte sie ihren Besitzer.

»Kaleh« ist das türkische Wort für Festung. Ihren Namen erhielt die Insel von der Burg, die der österreichische General Friedrich von Veterani hier im Jahr 1689 erbauen ließ. Ada Kaleh blieb allerdings nicht lange in den Händen der Habsburger. 1699 wurde sie von den Osmanen erobert, nur um siebzehn Jahre später im Zuge des österreichisch-türkischen Krieges wieder zurück in die Hände des mitteleuropäischen Herrscherhauses zu gelangen. Im Jahr 1739, nach dem Friedensvertrag von Belgrad, kamen erneut die Osmanen zum Zug. 1789 belagerten die Österreicher die Insel – ohne Erfolg. Erst im Laufe des russisch-türkischen Krieges von 1877/1878, als die Hohe Pforte ihre Ländereien an der Donau verlor, kam es zu gröberen Veränderungen.

Das Gebiet kam nach einem Beschluss vom Berliner Kongress interimistisch unter Habsburger-Verwaltung, dem Gesetz nach blieben die muslimischen Einwohner aber Untertanen des Sultans im knapp tausend Kilometer entfernten Istanbul. Ihnen wurde eine Selbstverwaltung nach osmanischem Stil gestattet: Sie erhielten einen Bürgermeister, den Mudir, einen Imam sowie einen Richter, Kadi genannt. Sultan Abdulhamid III. schenkte den Bewohnern einen fünfzehn Meter langen und neun Meter



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